Erfahrungsberichte und Ermutigung
Liebesgedicht einer Mutter
Du bist immer noch das Baby, das für mich bestimmt war,
auch wenn ich dein Gesicht auf Erden nie sehen werde.
Ich kenne den Grund nicht, warum du nie geboren wurdest,
und eine Zeit lang werde ich noch trauern.
Ich hatte Hoffnungen, und viel Aufregung und Freude,
ich habe geträumt, dass du mein kleines Mädchen bist.
Ich weiß nicht, was Gott geplant hat,
und es wird immer viel geben, was ich nicht verstehen werde.
Aber nur er weiß, was das Beste ist,
und mit dir weiß ich, dass der Himmel das Beste ist.
Ich kann mir eine Ecke im Himmel vorstellen, oben,
wo all die ungeborenen Babys mit Liebe platziert sind.
Und ich kann mir vorstellen, dass du unter ihnen bist
mit einem Herzen wie ein Musiker
singend und musizierend, um Ihn zu preisen.
In meinem Schoß habe ich dich nur für eine kurze Zeit gehalten,
aber eines Tages, im Himmel, werde ich dein erstes Lächeln sehen.
Ich weiß, dass dein Leben mit Jesus ein besserer Anfang ist
und deshalb habe ich Frieden in meinem Herzen.
Auch wenn ich darüber nachdenke, was du hättest sein können.
Ich lasse dich jetzt in den Armen unseres himmlischen Vaters zurück.
Bevor ich dich formte im Mutterleib, kannte ich dich. (Jeremia 1,5)
Gesegnet in der Dunkelheit – Abschied nehmen
Bei dem Wort „Segen“ oder „gesegnet sein“ gehen wir interessanterweise davon aus, dass es uns gut geht. Ich möchte euch mitnehmen auf eine, für mich ganz besondere, Reise. Es ist eine Reise, die meinen Glauben ganz neu auf den Prüfstand gestellt hat, aber auf der mir Gott in seiner ganzen Liebe und Gnade begegnet ist und ich seinen Segen trotz und vor allem durch die Dunkelheit erleben durfte.
Wir hatten lange auf unsere zweite Schwangerschaft gewartet und als sie da war, freuten wir uns sehr darüber. Nie hätte ich gedacht, dass Gott mit uns den für uns wohl schwersten Weg bisher gehen würde, der in einem der schönsten Tage meines Lebens münden sollte. Und das deshalb, weil ich Gottes Gegenwart noch nie so nah gespürt habe, wie an diesem Tag. Das klingt vielleicht sehr paradox für dich, dass ein Tag der schwerste, aber auch schönste Tag sein kann, weil es gewöhnlich nicht zu dem passt, was wir erwarten, aber genauso ist Gottes Gegenwart und Gottes Wirken und davon möchte ich euch erzählen.
Es ist der 16. Juli 2021 und an diesem Freitag haben wir im Krankenhaus nach 7 intensiven Lebenstagen von unserem zweiten Sohn Abschied genommen. Er hatte einen seltenen schweren genetischen Defekt, der seine Lungenaktivität schwer belastete, sodass wir vor der Entscheidung standen, die Intensivmedizin abzustellen. Nach seiner Geburt war klar, dass die schlechteste aller Prognosen sich bestätigt hatte und medizinisch keine Hoffnung bestand. Doch trotz aller Unsicherheiten über die nächsten Tage und Schritte und aller Traurigkeit darüber, dass vieles, was wir uns für unseren Sohn vorgestellt hatten, nicht eintreffen wird, war unsere Hoffnung nicht weg.
Wir beteten. Unser Gebet war es, dass Gott Herr über diese Situation ist, dass wir in seiner Ruhe sein können mit dem Wissen, dass er alles in der Hand hat. Einer unserer wichtigsten und entscheidendsten Schritte war es, Gott einzuladen, mit uns durch diese schwere Zeit zu gehen.
Und Gott schenkte Wunder! Er schenkte uns zwar nicht das Wunder der Heilung, aber das Wunder seiner Gegenwart, seiner Ruhe und seiner Kraft, jeden Tag neu zu beginnen, egal, was der Tag bereithielt. Er schenkte uns die Fähigkeit, ganz im Hier und Jetzt zu leben, das, was passiert zu akzeptieren und mit Gottes ewigem Blick zu sehen. Gar nicht mehr an Morgen oder Gestern zu denken, sondern das zu tun, was getan werden musste: unseren Sohn zu lieben, für ihn da zu sein, die kurze Zeit, die Gott uns mit ihm geschenkt hat, aufzusaugen und zu genießen. Am liebsten hätte ich dich, die du das jetzt liest, eingeladen, an diesem Nachmittag und Abend in diesem Krankenhaus-Zimmer zu sein, um etwas von Gottes Frieden und seiner unermesslichen Macht zu spüren, die uns umgeben hat. Das kann man nur schwer in Worte fassen. Wir haben Gott eingeladen, dort zu sein und er war dort, in Liedern, die wir gesungen und gehört haben, in Gebeten, sogar in einem gemeinsamen Lachen von mir und meinem Mann, im Erinnern an die Tage, die wir hatten. Er war da in einer friedlichen Ruhe, in der unser Sohn gehen durfte. Was mir durch die Zeiten der Untersuchungen, des Wartens, der Geburt und des Abschiednehmens geholfen hat, dann wenn ich keine Worte zum Beten hatte, waren Lieder.
Ich hatte mir eine Spotify-Playlist angelegt, die ich heute noch gerne höre. Liedtexte wie „I watched my dreams get broken, in You I hope again“, „I will walk by faith, even when I cannot see, because this broken road prepares your will for me“ oder “ I’m thankful for the scars, because without them I wouldn’t know your heart“ waren meine Gebete, die ich immer und immer wieder gesungen und gehört habe. Gott hat sie in mein Herz sinken lassen. Worte wie „Ich lasse los, denn du hast es längst in deiner Hand“ und „I’m gonna see a victory, because the battle belongs to you, Lord“ haben mir Mut und Hoffnung gegeben für einen der intensivsten Tage meines bisherigen Lebens. An diesem Nachmittag stand der Himmel für uns offen und ich habe mein Kind in Jesu Arme gelegt. Und auch wenn es unendlich schmerzhaft war, gab Gott uns das Gefühl und den Frieden, genau das Richtige zu tun und am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein, weil er mit uns dort war.
Natürlich sind oft noch Fragen offen, die mich auch wütend und ratlos machen. Es gibt Zweifel und Momente, in denen ich mit Gott ringe und ihm mein Herz ausschütte. Dann erinnere ich mich an diesen Tag. Wenn ich heute daran zurückdenke, wird mein Herz erfüllt mit Weisheit, tröstenden Gedanken, Dankbarkeit, ja sogar Freude und Stolz, den Gott mir in aller Dunkelheit geschenkt hat und jeden neuen Tag schenkt. Bis zu dem Tag, an dem ich meinen Sohn wieder sehen werde! Ich vergleiche die Situation oft mit der Zeit, in der mein Kind noch in meinem Bauch war. Ich konnte es nicht sehen, nur spüren, mit ihm reden und habe auf den Tag gewartet, an dem ich es in meine Arme schließen kann. Und so ist es jetzt auch ein bisschen. Ich warte auf den Tag, an dem ich im Himmel mein Kind wiedersehen darf. Er ist trotzdem jetzt bei mir und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an ihn denke.
Drei Monate nach der Geburt unseres zweiten Sohnes wurde ich erneut, diesmal sehr überraschend, schwanger. Ich hatte sehr große Hoffnungen in diese Schwangerschaft. In meinem Herzen war ich mir so sicher, dass Gott uns nun ein gesundes Kind schenken würde. In der 12. Woche verlor ich jedoch unser Kind in einer stillen Geburt zu Hause. Dieser Verlust war um vieles schmerzhafter. Ich hatte nichts, was mich an unser Kind erinnert. Ich konnte Gottes Weg nicht verstehen, warum er uns erst eine Tür öffnete, um sie viel zu schnell wieder zu schließen und warum er uns so kurz hintereinander durch einen erneuten Verlust schickte. Ich habe an Gottes Liebe zu mir gezweifelt, habe Gott angeklagt. Tief in mir war so viel Wut. Doch auch hier ließ mich Gott nicht fallen. Irgendwo in mir war noch ein bisschen Glaube, der mich wieder zu Gott zog, denn ich suchte nach Trost, Antworten und Hoffnung. Ich suchte nach ihm. Und das Erste, was Gott mir schenkte, war Dankbarkeit: Ich bin sehr dankbar, dass ich diesen Verlust zu Hause erleben durfte. Mir hat es geholfen, diesen Abschied auch körperlich zu spüren und zu sehen. Aber Gott stieß auch innerlich etwas an. Ich merkte, dass Gott etwas an meinem Bild von ihm verändern will. Und er tut es bis heute. Er zieht mich zu sich, verändert mein Herz, schärft meinen Blick auf die Dinge, die ihm wichtig sind, schenkt mir Freude auf die Ewigkeit, lehrt mich, mich ganz auf ihn zu verlassen! Ich darf schwach sein, ich darf wütend sein, ich darf aber auch dankbar sein über so viele kleine Dinge, die er mir schenkt. Ich darf vertrauen, dass er einen guten Weg für mich hat, auch wenn ich nicht jeden Weg verstehe. Aber ich will jeden Weg mit ihm gehen. Und ich möchte mich weiterhin von Gott beschenken lassen. Er ist gut und er ist gnädig.
Was von dieser Reise bleibt, ist die Tiefe, die mein Glaube bekommen hat! Eine Tiefe, die ich ohne diese Reise nicht bekommen hätte. In der Dunkelheit wurde ich gesegnet. Ich bete für dich, dass du diesen Frieden spüren kannst, egal wie die Umstände sind und egal wie die Situation aussieht. Gott möchte eine neue Saat in dich hineinlegen. Denn genau wie das Samenkorn erst einmal die einsamen und dunklen Stunden unter der Erde erleben muss, so bringt uns Gott auch durch die Dunkelheit, um etwas Neues und Segensreiches in uns erblühen zu lassen. Halte an Gott fest und sieh, dass er etwas Neues in Dir schaffen möchte.
Caro
Bis wir uns sehen (Liedtext)
Nie wollte ich dich gleich wieder verlier´n,
Du warst kaum da
Nie wollte ich, dass mir sowas passiert,
Du warst so nah
Mein Herz in mir vergeht, jedes kleine Stück der Erinnerung
verschwimmt in meiner Sehnsucht nach mehr von dir
Wie hast du mich bewegt, die Wände meiner Welt fiel´n um mich herum,
Ich ertrink in Tränen, wärst du hier
Bis wir uns sehen wird´ ich dich lieben,
bleibst geborgen in dem Himmel über mir
Bis wir uns sehen, hab ich entschieden,
dass mein Herz für jetzt und immer dir gehört,
bin dein
Werde ewig deine Mama sein
Ich dreh fast durch, ein Teil von mir flog weg,
kommt nicht zurück
Die Zeit verspricht zu heilen; gut versteckt,
bleibst du mein Glück
Gott, gib mir die Kraft, will jetzt leben
auch wenn es so schmerzt
Ich schaff´ es nicht allein.
Gott, du hast die Macht, mich dennoch zu segnen
Trotz der Scherben find ich Trost, ich lass jetzt los
Werd´ langsam heil´n
Bis wir uns sehen werd ich dich lieben,
bleibst geborgen in dem Himmel über mir
Bis wir uns sehen, hab ich entschieden,
dass mein Herz für jetzt und immer dir gehört,
bin dein
Werde ewig deine Mama sein
Text: Naomi van Dooren
Musik: Naomi und Debby van Dooren
Die Geschichte unseres Jüngsten (Totgeburt)
Er lag in meinen Armen. Sein kleiner Körper war noch warm. Ich küsste sein schwarzes volles Haar, strich über die winzigen Füßchen, seine Hände, seine Ohren. Tränen rannen mir über die Wangen. Die Zeit schien still zu stehen. Es gab nur ihn und mich: „Mama liebt dich!“, flüsterte ich und gleichzeitig hatte ich keine Ahnung, wie das werden würde ohne ihn. Schon bevor er geboren wurde, war er gegangen. Dabei schien alles so perfekt.
Zwei Jahre nach unserem Ältesten kündigte sich der Kleine an. Die Freude war riesig. Ich wünschte mir sehr ein Geschwisterchen für den Großen. Nun war es soweit. Wie würde es wohl werden zu viert? Die Gedanken daran zauberten ein Lächeln in mein Gesicht. Dann brach mit voller Wucht dieser Satz in unser Leben hinein: „Ihr Baby wird nicht lebensfähig sein.“ Ich hörte diesen Satz, nahm ihn wahr, fühlte nichts. So etwas passiert doch nur anderen. Nicht uns. Eine merkwürdige Leere breitete sich aus, alles war dumpf und taub. Die Welt drehte sich weiter, meine zerbrach. Wie kann man so einen Satz begreifen? Ich versuchte, zu verstehen, was diese Information mit unserer Familie und vor allem mit unserem Baby machen würde. Keiner konnte sagen, wie lange der Kleine in meinem Bauch überleben würde, ob er die Geburt überleben würde und wenn ja, was das dann konkret hieße: „Gott, ich will eigentlich nur noch, dass es aufhört! Das Kind in meinem Bauch soll weg, einfach verschwinden. Dann ist alles vorbei und nie gewesen.“. Natürlich stimmt es nicht, dass das Baby nicht da gewesen wäre. Aber ich wollte am liebsten allem ausweichen, was jetzt auf uns zukommen würde. Andererseits fragte ich mich: Was, wenn sich die Ärzte irrten, was wenn die Behinderung doch ein Leben zuließe? Eine Abtreibung würde dieser Frage die Antwort stehlen, und ich spürte, dass ich mit dieser Tatsache nicht leben könnte. Ich entschied mich für mein Baby, und ich entschied mich, wie eine Löwin für dieses Kind zu kämpfen.
Jeden Tag betete ich nun um Heilung. Andere Menschen beteten um Heilung. Ich feierte jeden kleinen Fortschritt, den die Ärzte sahen, nahm allen meinen Glauben zusammen und betete weiter. Die Schwangerschaft verlangte alles ab von mir und meinem Mann. Körperlich war alles sehr anstrengend für mich. Psychisch befand ich mich auf einer Achterbahn. Unser Baby wuchs Monat für Monat. Sechs Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin ließ ich meinen Jüngsten los. Ich spürte, ich muss es ihm und Gott überlassen, was weiter geschehen würde. Ich sagte eine letzte Ultraschall-Untersuchung ab. Ich weiß nicht, vielleicht spürte mein Kind das. Vielleicht war das die Erlaubnis für ihn, zu gehen. Wenige Tage später bekam ich Wehen. Das Herz unseres Babys hatte aufgehört zu schlagen. Es war ein Junge. Sein Körper kam auf die Welt, seine Seele flog in Jesu Arme. Am nächsten Tag verließ ich das Krankenhaus ohne meinen jüngsten Sohn. Es war der bisher schlimmste Gang meines Lebens. Ich ließ mein Kind in diesem riesigen Gebäude mutterseelen alleine zurück. Es fühlte sich an wie Verrat.
Nach der Beerdigung dachte ich: „Endlich ist es vorbei.“. Aber es war nichts vorbei. Ich kann nicht einmal sagen, was schwieriger war: Die Zeit bis zur Geburt oder die Zeit danach. Der gut gemeinte Ratschlag: „Nimm dir die Zeit, die du brauchst“, machte mich manchmal wütend. Wie viel Zeit braucht man denn? Der Mutterschutz ist irgendwann vorbei, die Krankschreibung endlich, der Alltag drängt durch alle Ritzen in die vermeintliche Ruhe hinein. Das Leben geht unerbittlich weiter, egal, was die Leute sagen.
Ich war leer. Mein Bauch war leer, meine Arme waren leer, ich hatte keine Worte mehr. Ich wusste nicht, was ich noch beten sollte. Alles war bereits gebetet. Ich fühlte mich betrogen. Ich war zweifache Mutter, aber da war kein zweites Kind in meinen Armen. Ich fühlte mich wie ein Fremdkörper in dieser Welt. Wenn ich den Großen in den Kindergarten brachte, versuchte ich, so wenigen Mamas wie möglich zu begegnen. Ich hielt es kaum aus, Kinder mit ihren Geschwistern zu sehen und auf die lapidare Frage: „Wie viele Kinder habt ihr?“, habe ich bis heute keine befriedigende Antwort. Ich schrie innerlich: „Gott, was genau unterscheidet ein Leben mit dir von dem ohne dich? Gebet verändert die Welt? Wie denn? Ich lese von Autorität im Herrn, von mächtigem Gebet und was für eine starke Waffe das sei, aber ich erlebe nichts davon. Manchmal frage ich mich, ob es dich wirklich gibt. Du tust Wunder, bist mächtig und groß? Ich kenne alle frommen Antworten auf diese Fragen, aber ich habe keine Lust mehr, dich zu verteidigen, alles schön zu reden. Jetzt bist du dran!“.
Mir fiel ein Buch über den Himmel in die Hände. Dort wurde allerlei beschrieben, was es im Himmel so alles geben würde. Das Allerschönste aber sei Gott selbst. Dieser Satz traf mich. So lange schon war ich Christ, aber ich spürte, zu einem Gott, der mir mein Kind genommen hatte, den ich als unberechenbar erlebte, zu diesem Gott wollte ich nicht. Vor diesem Gott hatte ich Angst, und ich fasste einen verzweifelten Entschluss: „Gott, ich höre jetzt mit allem frommen Tun auf und wartete ab. Wenn es dich wirklich gibt, dann musst du dich mir ganz neu vorstellen.“. Vielleicht würde diese Ehrlichkeit mir alles rauben, an was ich bisher geglaubt hatte. Ich wusste es nicht, aber dieses Gebet erschien mir die einzige Chance, dass sich etwas veränderte. An diesem Tag passierte nichts. Am nächsten Tag passierte nichts. Die Tage danach passierte nichts und doch wuchs etwas ganz leise und unmerklich in mir.
Ich saß auf dem Balkon. Die Sonne strich mir sanft über das Gesicht. Es war Januar. Ich hörte ein Lied von Bob Dylan: „Make You Feel My Love“. Darin heißt es: „Ich weiß, du bist noch nicht so weit, aber für jetzt nur so viel: Ich werde dich nie betrügen! Ich hab vom ersten Moment an gewusst, wo du hingehörst, wo dein Zuhause ist. Ich würde sogar hungern für dich, mich grün und blau schlagen lassen, ich würde die Straße, in der du wohnst, auf Knien entlangrutschen. Will sagen: es gibt nichts, was ich nicht für dich tun würde, damit du meine Liebe spüren kannst.“ Ich weinte. „Wirklich?“.
In den darauffolgenden Wochen und Monaten entwickelte ich Ängste. Ich hatte Angst, dass Gott mir auch noch meinen ältesten Sohn nehmen würde, meinen Mann, mich selbst. Mein Körper begann, immer häufiger zu brennen, erst meine Arme, dann meine Beine. Was war nur mit mir los? Die Angst schnürte mir die Kehle zu. Ich lag nachts im Bett, alles brannte, mein Herz raste. Dann war da dieser eine klare Gedanke: „Das ist nur deine Angst! Du wirst nicht sterben. Nicht jetzt. Was hier brennt, ist die Angst“. Zum ersten Mal seit langem, kam wieder etwas mit Klarheit in meinen Nebel hinein. War es Gott? Ich wagte nicht, es so zu nennen. Aber ich beruhigte mich, und ich wusste, was zu tun war.
Ich suchte mir therapeutische Hilfe. Es kam ein Schritt nach dem anderen dazu. Ein Telefonat, in dem mir eine Person davon erzählte, dass sie sich immer mal wieder vor ihrem inneren Auge einen Garten mit einer Bank vorstellen würde. Dort setzt sie sich hin und wartet auf Jesus und Jesus kommt. Ich probierte es aus. Da war etwas. Ich spürte es. Ich brauchte nichts zu sagen, nichts zu fragen, es genügte da zu sein, und ich hatte das Gefühl, dass ich nicht allein bin. Jesus?
Nach und nach traute ich mich, wieder Fragen an Gott zu stellen: „Warum hast du mir mein Kind genommen?“. „Bitte glaube mir, ich habe dir dein Baby nicht genommen. So bin ich nicht. Ich kann dir nicht erklären, was genau passiert ist, es ist zu komplex, entzieht sich deiner Welt. Aber glaube mir: Dein Jüngster ist ein Geschenk von mir. Ich liebe dich!“.
Ich besuchte ein Seminar mit Paul Young. Er hat das Buch geschrieben „Die Hütte“. Bei seinen Erzählungen flossen mir immer wieder die Tränen und mein Herz pulsierte nach und nach ganz vorsichtig wieder Hoffnung in meine verwundete Seele: „Ich wünsche mir so sehr, dass es wahr ist, was dieser Mann sagt, dass du, Gott, tatsächlich so liebevoll und gut bist. Ist es wahr?“.
Ich traute mich immer mehr, alles, was ich bisher glaubte, auf den Prüfstand zu stellen. Es fühlte sich an wie ein Fluss, in den ich mich hineinbegab und der mich immer weiter trug. Eins ergab das andere. Ich sog alles auf, was außerhalb meiner freikirchlichen Prägung war. Es tat mir gut, vieles einmal mit anderen, für mich unverbrauchten Worten zu hören. Ich las Bücher, forschte, hörte Vorträge, verwarf Gedanken, holte sie wieder hervor, fühlte mich verängstigt, verärgert, überrascht, und langsam setzte sich ein neues Bild zusammen, ein Bild von einem irgendwie vertrauten und doch ganz anderen Gott. Vieles, was ich früher in der Bibel meinte, zu verstehen, bekam eine neue Bedeutung für mich. Ich las sie mit einer anderen Brille. Ich befand mich auf einer Reise zu Gottes Herzen. Diese Reise hält an, solange ich lebe.
Mittlerweile sind ein paar Jahre vergangen. Es schmerzt immer noch, wenn ich an meinen Jüngsten denke. Es schmerzt, dass kein zweites Kind hier in unserem Haus aufwächst. Ich werde wohl nicht mehr schwanger, obwohl wir es probieren. Neue Fragen, neue Zweifel, neue unerfüllte Träume steigen in Wellen immer wieder hoch und müssen neu angeschaut und teilweise wieder losgelassen werden. Aber ein Satz wird immer lebendiger in mir: „Gott nahe zu sein, ist mein ganzes Glück“ (Psalm 73,28). Ich ahne: Ein zweites Kind würde mich nicht glücklicher machen. Ich wäre nur anders glücklich. Denn das wahre Glück hängt allein an diesem Gott, der noch besser ist, als ich es je für möglich halten werde.
Freude und Schmerz beisammen: Wenn nur ein Zwilling überlebt
21. Juni 2011. Während ich das Mittagessen vorbereite, spielt unser 2,5-jähriger Sohn lieb im Wohnzimmer. Im vierten Monat schwanger denke ich an die Familienfeier vor 10 Tagen zurück, an der wir die große Freude mit unserer Familie und Freunden geteilt haben: Im Dezember werden wir zu viert sein! Schon länger wünschen wir uns ein Geschwisterchen für unseren Sohn …
Plötzlich spüre ich einen heftigen Krampf im Unterleib. Im Badezimmer traue ich meinen Augen nicht. Blut färbt die weiße Toilettenschüssel rot, überall Blut. „Oh nein, hilf mir, Jesus“, bete ich, „was ist hier los – was soll ich tun?“ Verzweifelt versuche ich einen kühlen Kopf zu bewahren.
Nachdem ich unseren Sohn in seinem Bett zu einer Mittagspause mit CD-Hörspiel gelegt habe, rufe ich meinen Mann auf der Arbeit an. Er ist voller Sorge, übernimmt den Anruf beim Rettungsdienst und will sofort nach Hause kommen. Ich komme mir vor, als wäre alles um mich herum im Nebel. Wieviel Zeit ist vergangen? Plötzlich steht der Krankenwagen vor der Tür, mein Mann ist ebenfalls da (ist er geflogen?) und kümmert sich darum, dass eine Freundin unseren Sohn abholt und auf ihn aufpasst. Der Sanitäter ist so lieb zu mir und versucht, mich auf dem Weg zum Krankenhaus bereits auf das Schlimmste vorzubereiten: „Sie sind noch jung, Sie werden noch mehr Kinder bekommen können…“ Zu meinem Mann sagt er leise: „Ihre Frau hat sehr viel Blut verloren – zu 90 Prozent hat sie das Kind verloren.“
Im Krankenhaus angekommen, liege ich eine gefühlte Ewigkeit auf einer Liege, bevor ein Ultraschall gemacht wird: er zeigt ein schlagendes Herz. Alle Ärzte sind überrascht und auch der herbeigerufene Chefarzt kann es sich nicht erklären. Mein Mann ist überglücklich und erleichtert, warum nur kann ich mich nicht freuen? In mir ist eine tiefe Traurigkeit und ein Schmerz, den ich nicht erklären kann… Ich habe das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt.
Und dann – am Tag der Geburt – wird mein Gefühl bestätigt: die beiden gleichgroßen Plazenten bestätigen, was ich insgeheim vermutet habe: ich habe einen Zwilling bei der Blutung verloren! Meine Gefühle sind auf Achterbahnfahrt: einerseits freue ich mich riesig über das neue Leben, andererseits trauere ich um ein Kind, das ich gerne auch im Arm gehalten hätte. Ein Teil unserer Familie fehlt.
20. Januar 2020. Große Freude bei meinem Mann und mir. Wir haben ein sü.es Geheimnis. Nach 8 Jahren bin ich sehr überraschend noch mal schwanger geworden. Die Symptome sind eindeutig, aber mein Mann besorgt einen Schwangerschaftstest, damit wir Sicherheit haben. Der Test ist positiv! Einen Tag später wache ich mit starken Bauchkrämpfen und Blutungen auf. Ich habe ein Déjà Vue! Meine Frauenärztin kann keinen Herzschlag finden und versucht mich zu trösten, während ich versuche, irgendwie meine Fassung zu bewahren.
Zu Hause breche ich dann weinend auf dem Sofa zusammen. Die Schwangerschaft hat nur bis zum 6. Woche gehalten… Ich bin enttäuscht, traurig und wütend. Und habe so viele Fragen. Traut Gott mir kein Kind mehr zu? Warum liegen Freude und Trauer mal wieder so eng beieinander? Ich klage Gott an: Warum lässt du eine Schwangerschaft zu, um sie kurze Zeit später wieder zu beenden? Wozu das Ganze? Was hat das für einen Sinn?
Zwei Tage nach der Fehlgeburt habe ich ein Schlüsselerlebnis: ich träume nachts von einem Strand, an dem ich mich mit meinem Baby befinde. Plötzlich kommt eine Tsunami-Welle auf uns zu, ich renne mit dem Kind auf dem Arm um unser Leben, bin aber zu langsam. Schon schwappt Wasser um meine Füße … Dann wache ich schweißgebadet auf und höre innerlich eine Stimme, die sagt: „Wenn du durchs Wasser gehst, werde ich bei dir sein. Ströme sollen dich nicht überfluten.“ Diese Worte (Jesaja 43,2) waren für mich so eindrücklich, dass ich ab diesem Moment entschieden habe, Gott zu vertrauen, dass er auf mich und mein Herz aufpasst, auch wenn ich es nicht verstehe, warum ich nun schon zweimal viel zu früh Abschied nehmen musste.
In den folgenden Wochen begegnet mir das Bild vom Strand und der Vers aus Jesaja immer wieder, in unterschiedlichster Form. Mal in einem Lied, mal in einem zugesprochenen Gebet, mal in meiner Zeit mit Gott. Ich spüre deutlich, wie Gott mir sagt: „Tochter, du bist nicht allein, auch wenn die Wellen um dich toben – du wirst nicht ertrinken!“
27. Oktober 2021. Der Schwangerschaftstest zeigt zwei Streifen, obwohl mein Mann und ich mit unserem Kinderwunsch abgeschlossen hatten. Ich traue der ganzen Sache nicht, meine Freude ist gedämpft. Wer weiß, ob ich auch dieses Kind ganz schnell wieder hergeben muss? Außerdem finde ich den Zeitpunkt nicht passend, schließlich sind unsere beiden großen Söhne zum errechneten Termin 13 und 10 Jahre alt! Ich erinnere mich an den Vers aus Jesaja, bemühe mich, jeden Tag neu vertrauensvoll in Gottes Hände zu legen und spüre, wie die Freunde in meinem Herzen jeden Tag ein bisschen größer wird. Als wir an Weihnachten unserer Familie die Neuigkeit verkünden, sind die kritischen ersten 12 Wochen vergangen – das Kind wächst und wächst … Zeitgleich kämpft mein Schwager bereits seit einem Jahr gegen einen aggressiven Tumor. Und wieder liegen Freude und Schmerz so nah beieinander.
Der Höhepunkt dieser Gefühlsachterbahn wird im Juni 2022 erreicht, als mein Schwager mit 39 Jahren von Gott in die Ewigkeit geholt wird. Vier Tage später wird unser Sohn geboren. Leben und Tod – fast zeitgleich. Wie kann man das ertragen? Mir wird bewusst, wie zerbrechlich das Leben ist. Und ich realisiere schmerzhaft, dass Sturm und hohe Wellen zum Leben dazugehören. Dankbar bin ich, dass ich unsere beiden Kinder und meinen lieben Schwager gut aufgehoben weiß – aber sie fehlen trotzdem.
Ich weiß nicht, welche Situationen ich in der Zukunft noch bewältigen muss. Wieviel Zeit mir noch bleibt. Bis dahin möchte ich anderen mit meiner Geschichte Mut machen, sich auf das Wesentliche im Leben zu konzentrieren: Freude und Schmerz teilen und gemeinsam tragen, Glauben und Leben teilen, in Beziehungen investieren.
Und er ist mein geliebtes Kind! (Behinderung)
Als unser erstes Kind, nach einer völlig unauffälligen und komplikationslosen Schwangerschaft, zur Welt kam wurde unser Leben völlig auf den Kopf gestellt, denn unser Sohn ist mehrfach schwerstbehindert.
Für uns war vom Anfang unserer Ehe an klar, wir wollen gerne Kinder haben, auch gerne mehrere. Die Schwangerschaft mit unserem ersten Sohn war dann aber doch eine Überraschung, da wir uns mit der Familienplanung eigentlich noch etwas Zeit lassen wollten. Um so klarer war für mich: Wenn wir es nicht darauf angelegt haben, dass dieses Kind da ist, muss Gott es wohl unbedingt wollen!
Der Gedanke, dass mit unserem Kind etwas nicht in Ordnung sein könnte, dass es eventuell krank sein könnte oder eine Behinderung haben könnte war für uns nicht präsent. Natürlich hatten wir irgendwann dieses Gespräch: „Was machen wir denn, wenn unser Kind behindert ist?“ Das war aber schnell beendet, denn: „Dann haben wir es trotzdem lieb, das macht keinen Unterschied!“
Ja und dann kam alles anders.
Bei einer Routinekontrolle zum Ende der Schwangerschaft wurden plötzlich auffällige Herztöne entdeckt und es wurde ein Notkaiserschnitt gemacht. Unser völlig gesundes Kind hatte sich im Mutterleib mit der eigenen Nabelschnur stranguliert und musste eine halbe Stunde lang reanimiert werden, bevor es ein Lebenszeichen von sich gab. Unser Sohn wurde sofort auf die Kinderintensivstation verlegt und ich wachte ohne mein Kind aus der Vollnarkose auf.
Wie ernst der Zustand unseres Sohnes war, wurde mir erst am nächsten Mittag bewusst, als mein Mann, der ohne mich zum Besuch in der Kinderklinik war, gefragt wurde, ob wir die lebenserhaltenden Maschinen abstellen lassen wollten. Es war aus ärztlicher Sicht nicht klar, ob unser Sohn lebensfähig sei. Sein Hirn hatte durch die Unterversorgung massive Schäden davongetragen.
Für uns brach eine Welt zusammen. Wie konnte Gott das zulassen, bei dem Kind, von dem wir uns so sicher waren, dass Gott ihn uns geschenkt hatte, dass Gott ihn haben wollte.
In den folgenden Wochen lebten wir wie im Tunnel. Die Tage verbrachten wir in der Kinderklinik bei unserem Sohn, der wieder aller Erwartungen selbstständig atmete und schluckte. Wenn wir zu Hause waren, waren wir zu erschöpft, um irgendetwas zu tun. Der emotionale Stress war so kräftezehrend, dass ich mich oft wie gelähmt fühlte.
In der Klinik war ich mit den Diagnosen unseres Sohnes konfrontiert. Ärzte und Krankenschwestern, die uns erklärten, was unser Sohn alles nicht kann bzw. können wird, zu sehen wie unser Sohn um sein Leben kämpft, Untersuchungen, die er über sich ergehen lassen musste, Krampfanfälle, die durch schweren Medikamente unterdrückt wurden und so vieles mehr, da war wenig Platz für Gefühle, ich musste funktionieren.
Abends brachen dann oft meine Emotionen über mich herein. Ich wusste, dass ich auf die Frage Warum? keine Antwort bekommen würde. Gestellt habe ich sie trotzdem. Ich habe Gott geklagt. Ich habe geschrien. Ich habe gefleht. Ich fühlte mich zutiefst von Gott enttäuscht. Hatte ich doch darauf vertraut, dass er dieses Kind gewollt hat.
Die Verzweiflung, die ich in dieser Zeit erlebte, war unbeschreiblich, aber irgendwie war mir klar, der Einzige, der mich in dieser Situation tragen kann, ist Jesus. In ihm hatte ich ein Gegenüber dem ich alles klagen konnte. Ich musste diese Verzweiflung nicht allein aushalten, ich konnte sie Jesus vor die Füße legen.
Besonders deutlich wurde mir dies als ich eines Abends im Bett lag und vor Verzweiflung einfach nicht mehr weiterwusste. Ich trauerte um all die Dinge, die ich mir für mein Kind gewünscht hatte, und die nun nicht sein würden. Mein Mann versuchte mich zu trösten, aber ich war so aufgelöst, ich konnte nicht aufhören zu weinen. Und mitten in dieser tiefen Verzweiflung war da plötzlich eine innere Stimme, die mir sagte: „Und er ist mein geliebtes Kind! Dein Sohn ist mein geliebtes Kind!“
Und plötzlich wurde ich ruhig. Diese alles überwältigende Verzweiflung verschwand und ich konnte Gottes unendliche Liebe für mich und meinen Sohn erahnen. Die Fragen, die Sorgen und die Ängste, die Enttäuschung und der Schmerz waren nicht weg, aber ich durfte erleben das Gottes Liebe größer ist als all das.
Diese Gewissheit, meinen Sohn in Gottes liebender Umarmung zu wissen, hat mir in diesem Moment geholfen und hilft mir seitdem immer wieder aufs Neue. Unser Leben sieht durch die Behinderung unseres Sohnes heute in vielen Dingen anders aus als wir uns das vorgestellt hatten. Es gibt immer wieder Momente in denen ich Trauer, Wut und auch Verzweiflung empfinde, über dieses andere Leben, das wir und unser Sohn führen. Aber ich habe erlebt, dass Jesus mich in diesen Momenten nicht allein lässt. Zu ihm darf ich ehrlich mit all meinen Emotionen kommen und er nimmt mich wahr. Er sieht mich in meinem Schmerz und begegnet mir in meinen schwersten Stunden. Ich weiß, wenn ich nicht mehr weiterweiß, hebt er mich auf und zeigt mir einen Weg, denn auch ich bin sein geliebtes Kind.
Hindernisse und künstliche Befruchtung
Als mein Mann und ich heirateten, war er ‚schon‘ über 30 und ich Mitte 20. Wir wollten gerne zuerst genießen, verheiratet zu sein, und ich wollte nach meinem Studium ein bisschen arbeiten. Dann, so dachten wir, mit Baby zu einem Auslandseinsatz aufbrechen. Dass das Schwanger werden nicht genau so klappt, wie man es sich vorgestellt hat? Davon hatten wir fast noch nie gehört und daher waren wir ziemlich optimistisch. Doch als wir dann schwanger werden wollten, verging Monat um Monat und wir wurden nicht schwanger. Nach einigen Monaten fing es an, unser ganzes Leben zu bestimmen. Wir wollten Gott vertrauen und folgten trotzdem zielstrebig dem Weg, den Gott uns aufs Herz gelegt hatte.
Doch es war eine große psychische Belastung, oft an unseren unerfüllten Kinderwunsch erinnert zu werden. Als wir bei einer Untersuchung erfuhren, dass wir auf natürlichem Weg nicht schwanger werden konnten, war das natürlich eine traurige Nachricht. Uns wurde jedoch eine künstliche Befruchtung vorgeschlagen. Tatsächlich hatten wir uns beide schon einmal mit diesem Thema beschäftigt. Im Ethikunterricht während unseres Theologiestudiums. Beide hatten wir unabhängig voneinander beschlossen, dass wir künstliche Befruchtung ethisch vertretbar finden, wenn alle entstandenen Embryos im Laufe der Zeit eingesetzt werden würden. Nie im Leben hätten wir damals jedoch daran gedacht, dass WIR zu den „jedes 6. bis 10. Paar“ zählen könnten, die auf natürlichem Weg keine eigenen Kinder bekommen können.
Theoretisch hätten wir uns vorstellen können, ein Kind zu adoptieren oder Pflegeeltern zu werden. Aber leider ging das nicht, da wir nicht in Deutschland lebten und in unserem Einsatzland war es nicht erlaubt, ein einheimisches Kind zu adoptieren. Somit standen uns diese ‚Alternativen‘ leider nicht zur Verfügung. Unser Arzt dort in dem Nachbarland unseres Einsatzlandes war unglaublicherweise ein gläubiger Katholik (in einem Land, in dem es weniger als 2% Christen gab, oh Wunder!). Von einem Glaubensbruder behandelt zu werden, der auch davon überzeugt war, dass es nur Gott ist, der dieses Wunder des Lebens schenken kann, tat uns sehr gut. Nach einigen Gesprächen mit ihm hatten wir dann recht schnell ein ‚Ja‘ zur künstlichen Befruchtung, da wir uns ja auch schon zuvor ausgiebig damit beschäftigt hatten.
So durchliefen wir einige Versuche, die leider jeweils in einer Fehlgeburt endeten. Wir waren untröstlich. Wir hielten es dann nicht mehr aus und kamen zurück nach Deutschland. Dort hatten wir Zeit zu trauern und neuen Mut zu fassen. Professionelle seelsorgerliche Begleitung hat uns dabei sehr geholfen. Zudem sind wir auch noch in eine Beratung zu unerfülltem Kinderwunsch gegangen.
So waren wir bereit für einen weiteren Versuch und gingen in ein Kinderwunschzentrum in unserer Nähe. Auch hier war es total besonders, dass unsere Ärztin eine gläubige Christin war, die wusste, dass Gott der Schöpfer ist – auch bei ihr fühlten wir uns in sehr guten Händen.
Es brauchte einige Versuche, aber dann wurden wir nach drei Jahren unerfülltem Kinderwunsch schwanger – mit Zwillingen! Als unsere Zwillinge einige Monate alt waren, flogen wir für erneute zwei Jahre in unser Einsatzland. Einerseits war so schön, endlich ein bisschen mehr dazu zu gehören, aber es war nicht alles so wunderschön, wie ich es mir ausgemalt hatte. Nach den zwei Jahren kamen wir wieder zurück nach Deutschland und hatten den Wunsch, noch ein drittes Kind zu bekommen. Ich weiß, ich weiß, wir hätten doch dankbar sein können, zwei Kinder zu haben! Was hätten wir Jahre zuvor für EINS gegeben. Trotzdem war der Wunsch so groß, noch ein drittes Kind bekommen zu dürfen.
Gott schenkte uns ein drittes Mal nach viel Hoffen und Bangen ein riesiges, winziges Wunder, das gesund auf die Welt kommen durfte. Auch wenn Ärzte und medizinisches Personal nachgeholfen haben, so ist es doch allein Gott zu verdanken! Als ich zwei Jahre später gerade mit dem Gedanken spielte, einer tollen Arbeit zuzusagen, kam die Überraschung bzw. ein wirklicher Schock für uns: Ich war schwanger! Wie das sein kann? Wir wissen es bis heute nicht. Freunde von uns nannten es eine verspätete Gebetserhörung. Es brauchte viele Wochen, bis ich mich auf dieses Kind freuen konnte. Obwohl wir nun diese wundervolle und trubelige Rasselbande haben, so werde ich die Jahre der ungewollten Kinderlosigkeit nie vergessen. Es war ein sehr tiefes Tal, durch das wir mit Gottes Hilfe und mit der Hilfe von guten Freunden irgendwie durchgewandert sind.
Ich bin dankbar für all die lieben Menschen, die uns in dieser unglaublich harten Zeit begleitet haben. Eine Freundin ‚vermittelte‘ uns z.B. an eine Freundin von ihr weiter, die schon einmal durch künstliche Befruchtung schwanger geworden war und die gerade noch einmal einen Versuch gestartet hatte. Der Kontakt tat uns sehr gut. Auch Jahre später sind wir noch befreundet. Wir hatten auch Freunde mit kleinen Kindern, die uns verziehen, dass wir es vorübergehend nicht schafften, mit ihnen in Verbindung zu bleiben, aber dann wieder in Kontakt miteinander kamen.
Immer mal wieder kommt die Trauer hoch, wenn ich daran denke, dass wir nach unserer Planung schon ältere Kinder hätten. Vor allem, wenn wir nicht so ganz zu befreundeten Familien ‚passen‘, weil unsere Kinder jünger sind.
Das ist unsere Geschichte. Noch kann ich Gott nicht dafür danken: ich hätte es mir anders gewünscht. Aber aus irgendeinem Grund hat Gott es so zugelassen. Im Nachhinein können wir unter anderem sehen, wie uns diese harte Zeit noch widerstandsfähiger gemacht hat. Zudem ist es uns vielleicht noch bewusster als manch anderen, was für ein riesen Wunder jedes einzelne Kind ist.
Schon das ein oder andere Mal konnten wir Freunden beistehen, bei denen es lange nicht geklappt hat, schwanger zu werden und die sich dann auch teilweise für medizinische Unterstützung entschieden.
Ich kann euch von Herzen raten, mit eurer Sehnsucht nicht alleine zu bleiben. Sucht euch Unterstützung von Paaren, die in der gleichen Situation sind, oder von Paaren, die schon ‚draußen‘ sind, aber noch genau wissen, wie es war und gerne anderen beistehen möchten.
Gerne könnt ihr auch mit uns Kontakt aufnehmen. Es gibt immer mehr gute Bücher. Uns war es wichtig, christliche Perspektiven zu bekommen und so lasen wir das Buch ‘Kinderlos‘ von Birgit und Wolfgang Schilling (die sogar eine sehr ähnliche Biografie wie wir hatten) und ‚Ich warte noch auf dich‘ von Dr. Ute Buth.
Folgendes Lied ‚Blessings‘ von Laura Story hat uns u.a. durch diese schwierigen Jahre getragen. Hier ein Auszug davon (disguise heißt so etwas wie getarnt):
„Blessings“
We pray for blessings, we pray for peace
Comfort for family, protection while we sleep
We pray for healing, for prosperity
We pray for Your mighty hand to ease our suffering
And all the while, You hear each spoken need
Yet love us way too much to give us lesser things
‚Cause what if Your blessings come through raindrops
What if Your healing comes through tears
What if a thousand sleepless nights are what it takes to know You’re near
What if trials of this life are Your mercies in disguise
We pray for wisdom, Your voice to hear
We cry in anger when we cannot feel You near
We doubt Your goodness, we doubt Your love
As if every promise from Your word is not enough
And all the while, You hear each desperate plea
And long that we’d have faith to believe
What if my greatest disappointments or the aching of this life
Is the revealing of a greater thirst this world can’t satisfy
And what if trials of this life-
The rain, the storms, the hardest nights
Are Your mercies in disguise
Ich wünsche euch, dass ihr wisst und spüren dürft: Gott sieht euch mit eurem Kinderwunsch und ER ist da für euch!
Seine Wege sind höher: Wie wir auf anderen Wegen Kinder bekamen
Ein Jahr nach unserer Hochzeit fingen wir mit der „Kinderplanung“ an. Ich wollte 2, mein Mann 4 Kinder. Wir waren total darauf gespannt, was als Eltern dann alles auf uns warten würde. Ich war unter 30, gesund und wir hatten keinerlei Ahnung davon, dass uns das Thema „unerfüllter Kinderwunsch“ jemals begleiten würde.
Nach ein paar Jahren des „erfolglosen“ Versuchens, schwanger zu werden, wurde es langsam aber sicher immer schwerer damit umzugehen. Allem voran natürlich, die nervigen Fragen aller Bekannten und auch Unbekannten, wann denn nun endlich der Nachwuchs kommt. Alle um uns herum hatten schon Kinder oder wurden immer wieder schwanger und wir fühlten uns sehr allein.
Aber wem erzähl ich vom Gefühl von Trauer, Leid und Schmerz? Wenn du auf dieser Seite liest – dann kennst du das sicher auch. Du bist nicht allein! Nach ca. 3 Jahren hielten wir Ausschau nach anderen Wegen, unseren Kinderwunsch zu erfüllen. Mir fiel ein, dass ich schon als Kind öfter davon gesprochen hatte, einmal Kinder zu adoptieren, wenn ich groß bin, weil mir Kinder ohne eigene Eltern immer schon am Herzen lagen.
Meinem Mann erzählte ich sicher dann nicht das erste Mal davon und er fand die Idee auch nicht schlecht, aber er wollte trotzdem gerne noch auf medizinischem Wege versuchen, eigene Kinder zu bekommen. Dies erschien mir der steinigere Weg zu sein, da ich vor Krankenhäusern, Ärzten usw gerne großen Abstand halte – wenn möglich. Naja, so einigten mein Mann und ich uns, beide Wege (Adoption und IVF) gleichzeitig anzugehen. Beides erschien viel Aufwand, Zeit und Mühe zu brauchen und beide Wege erschienen trotzdem, Gottes Wunder nötig zu haben. So vertrauten wir auf Gott und folgten beiden Wegen Schritt für Schritt. Wir besuchten unterschiedliche Ärzte, fingen mit den Hormonspritzen an und sprachen zeitgleich mit Freunden die schon Kinder aufgenommen hatten. Das Jugendamt hatte uns beim Erstgespräch ans Herz gelegt, für Pflegekinder offen zu sein, obwohl wir gerne adoptieren wollten. Sie sagten, über die Jahre habe sich herausgestellt, dass es für viele Mütter, die ihr Kind nicht haben wollen oder großziehen können leichter ist, das Kind als Pflegekind (mit dauerhaftem Verbleib bei der Pflegefamilie) aufzugeben. Auf diesem Wege können sie die Kinder wenigsten noch ab und zu sehen. Und auch für die Kinder ist es sehr wertvoll, wenn sie wissen, wo sie herkommen und bei wem sie im Bauch waren. Die Verfolgung beider Prozesse (Hormonspritzen, Arztgespräche usw, sowie Gespräche mit dem Jugendamt inkl. aller Papiere, die sie brauchten) verteilte sich auf ungefähr ein Jahr.
Als wir dann endlich soweit waren, den ersten IVF Versuch hinter uns gebracht zu haben, warteten wir gespannt auf den ärztlichen Anruf, ob sich eine Schwangerschaft bestätigen ließ. Der Anruf kam und die Antwort war, dass es nicht geklappt hatte. Ich glaube, mein Mann hatte etwas mehr Hoffnung gehabt als ich, daher war ich gar nicht so sehr enttäuscht. Trotzdem war es anstrengend nach alledem, was man als Frau dafür über sich ergehen lassen muss, kein Stück weiter mit unserem Kinderwunsch zu sein. Etwa eine Woche nach dem ärztlichen Telefonat kam tatsächlich ein Anruf vom Jugendamt: Sie hätten ein gesundes Baby, einen kleinen Jungen, der ein neues zu Hause braucht. Es war so verrückt, dass beides so schnell aufeinander folgte! Gott hat ein echt interessantes Timing! Wir sollten noch am selben Tag Bescheid geben, ob wir bereit wären, das Kind aufzunehmen! Mein Mann traf mich in meiner Mittagspause auf der Arbeit und wir setzten uns draußen auf eine Bank. Mit dem kleinen Schmierzettel in der Hand, auf dem das Alter und der Name des kleinen Jungen stand, beteten wir zu Gott. Nach unserem Gebet schauten wir einander an und wussten: Ja! Wir hatten beide Frieden, zuzusagen. Weniger als 24 Stunden später waren wir Eltern geworden und hielten unseren Sohn im Arm. Es war ein Wunder!!! Wir verliebten uns sofort in ihn und nahmen ihn auf wie unser leibeigenes Kind. Die ersten knapp 2 Jahre waren wundervoll, wir waren so happy!! Bei einem Umgangstreffen mit der leiblichen Mutter (da es keine Adoption war, sondern ein Pflegekind – trotz dauerhaftem Verbleib bei uns) erwähnte ich nebenbei unserer Ansprechpartnerin vom Jugendamt, das wir gerne noch ein weiteres Kind aufnehmen wollen würden. Nur wenige Wochen später kam der zweite Anruf: ein gesundes Mädchen, wenige Wochen alt, braucht ein Zuhause. Wir sollten noch am selben Tag Bescheid geben. Wie beim ersten Mal beteten wir und hatten auch dieses Mal Frieden, das Baby aufzunehmen. Diesmal lag ein Wochenende dazwischen, bevor wir es abholen durften, und das fand ich noch schlimmer als die 24 Stunden Vorlauf beim ersten Kind. Die Aufregung war überw.ltigend. Das kleine Mädchen war so sü. und wir waren so unglaublich dankbar, dass wir nun 2 tolle Kinder hatten und eine richtige Familie waren, so wie ich es mir gewünscht hatte. Es fehlte uns nichts mehr zu unserem Glück.
Wir hatten nun auch alle Hände voll zu tun, denn unser Sohn bekam die Diabetes Typ I Diagnose und unsere Tochter entpuppte sich als hyperaktiv. In dem ganzen Trubel wurde ich dann doch tatsächlich ganz unerwartet schwanger. Natürlich freuten wir uns total, aber die Sprüche der Leute um uns herum waren schon sehr unangenehm: „Endlich ein eigenes!“ und so ähnlich – als wenn unsere anderen Kinder nicht unsere Kinder wären! Oder „ja, jetzt wo ihr entspannt wart, hat es geklappt“. Schrecklich! Ich für meinen Teil werde niemals wieder eine Frau, die keine Kinder hat fragen, ob sie welche will und wann oder warum! Das ist ein so sensibles Thema und für so viele Frauen keine Selbstverständlichkeit! Ich wünschte mir sehr, dass es in diesem Bereich mehr Aufklärung und Feinfühligkeit gäbe.
Wenn mich Leute danach fragen, warum es dann doch mit einem „eigenen“ geklappt hat, sag ich immer: Gott hat es so gewollt, daß wir die Eltern unserer beiden aufgenommenen Kinder werden. Deshalb hat es vorher auch nicht mit Eigenen geklappt. Mit Sicherheit hätte ich nach der ersten Geburt sonst vergessen, dass ich auch bereit war, Kinder zu adoptieren. Außerdem glaube ich an die Wahrheit des Wortes Gottes und darin steht im Römer 8,28 „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.“
Ich war in der Schwangerschaft gar nicht so euphorisch wie die anderen Menschen, mehr nur nervös, wie ich den Alltag mit 3 kleinen Kids (im Abstand von 4 Jahren) bewältigen sollte, wo doch die ersten beiden durch ihre besonderen Bedürfnisse mehr Aufmerksamkeit benötigten als andere Kinder. Gott war uns gnädig, unser drittes Kind kam und hat die ersten Monate ganz viel geschlafen, so dass es irgendwie alles ging.
Ich wünsche mir, dass noch viel mehr Menschen Kinder aufnehmen. Wenn ich die Nerven hätte, würde ich selber noch mehr Kinder aufnehmen wollen. Ich glaube, dass Gott einen großen Segen darauf legt: Matthäus 18,5 „Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.“
Ich glaube auch, dass man keinen Unterschied in der Liebe zu diesen Kindern spürt. Bei mir kam die Liebe zu den Kindern einfach automatisch. Ich kenne aber auch Eltern, wo das selbst bei leiblichen Kindern nicht selbstverständlich ist. Liebe ist ja eine Art Entscheidung – Jesus hat sich entschieden, dem Willen Gottes zu folgen und für uns ans Kreuz zu gehen – aus LIEBE.
Gott hat einen wunderbaren Plan für jeden, der an IHN glaubt, davon bin ich überzeugt. Und ich bin davon überzeugt, dass Gott ALLE Kinder liebt und daher wird er auch dir die Liebe, Geduld und Kraft schenken, Kinder aufzunehmen, wenn du dafür offen bist! Ja, es ist anstrengend und braucht sehr viel Energie, Geduld und Weisheit, angenommene Kinder groß zu ziehen. Aber ich denke und hoffe, dass Gott es segnet: Galater 6,9: „Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen.“
Ich kann es also jedem Ehepaar nur ans Herz legen – natürlich mit Gebet und Gottes Führung einbezogen, Kinder aufzunehmen. Es gibt so viele, die keine Eltern haben, die für sie sorgen können oder wollen.
Im Übrigen wollte ich noch kurz erwähnen, dass ich den Begriff Pflegekinder und Pflegeeltern nicht gerne nutze, da er sich für uns einfach nicht richtig anfühlt. Wir haben von Anfang an die Kinder wie Eigene aufgenommen und machen zwischen den Kindern (leiblich und aufgenommene) keinerlei Unterschied. Das war und ist uns sehr wichtig! Ich denke da gerne an die Bibelstellen, in denen steht, dass Gott uns, die wir an Jesus Christus als unseren Retter glauben, als seine Kinder aufnimmt. Ja, wir sind Geschwister von Jesus. Welch ein Geschenk und welch ein Vorrecht! Ganz egal wo wir herkommen und was wir getan haben, angenommen zu werden. Diese Liebe möchte ich auch unseren Kindern bestmöglich weitergeben.
Möge Gott euch durch unsere Geschichte Mut machen, euer Herz weit zu machen für den Gedanken, auch Kinder aufzunehmen. AMEN